Weiterer Stolperstein für Feuerwehrmann verlegt
06.02.2017 | Feuerwehr Gangelt | Autor: Oliver ThelenIm Zentrum von Gangelt wurden am vergangenen Freitag weitere 15 Stolpersteine für Opfer des Nationalsozialismus verlegt. Darunter befand sich ein Stolperstein für ein weiteres Gründungsmitglied der Feuerwehr Gangelt, Lion Leopold.
Rund ein Jahr nach der ersten Verlegung von 14 Stolpersteinen durch den Künstler Gunter Demnig wurden am vergangenen Freitag weitere 15 Stoplersteine im Gangelter Ortskern verlegt. Besonders erfreut zeigte sich der Initiativkreis Stolpersteine Gangelt von den zahlreichen Besuchern aus dem In- und Ausland. Mit Jackie Leopold und deren Tochter Rachel Achs konnten gleich zwei Angehörige der Familie Leopold begrüßt werden, die extra aus den Vereinigten Staaten angereist waren, um bei der Verlegung der Stolpersteine für ihre Familie zugegen zu sein. Gäste aus den Niederlanden waren Jack Alderwereld, der im Alter von drei Jahren von seinen Eltern getrennt wurde, doch mit Hilfe einer jüdischen Organisation in einer Pflegefamilie in Brunssum überlebte, sowie Ans Holmann, Mitarbeiterin des Amtes für Geschichte der Stadt Tilburg, wo die jüdische Familie Leopold während der Naziherrschaft lebte.
Mit sechs Stolpersteinen wird von nun an vor dem ehemaligen Wohnhaus der Familie Leopold in der Sittarder Straße 20 an das Schicksal von Lion und Ida Leopold sowie deren Kinder Hugo, Frieda, Else und Erich gedacht. Lion Leopold war als Viehhändler auch über die Grenzen Gangelts hinaus bekannt. Zusammen mit den jüdischen Mitbürgern Emil Falkenstein, Siegmund Morgenstern und Max Rosendahl sowie 47 weiteren Gangelter Bürgern gründete Lion Leopold am 24. Oktober 1899 die Freiwillige Feuerwehr Gangelt. Gemeinsam mit ihren Kameraden bekämpften die Vier mehrere Großbrände in Gangelt und riskierten dabei Leib und Leben für das Hab und Gut anderer Mitbürger. Nach dem Ersten Weltkrieg im Jahre 1918 wurden die freiwilligen Feuerwehren im durch die Franzosen besetzten Rheinland verboten. Bei der Neugründungsversammlung am 4. Oktober 1920 trat Lion Leopold ebenso wie Emil Falkenstein erneut der Wehr bei. Er war damals bereits 49 Jahre alt. Er wurde von den Mitgliedern zum Leiter der Wasserabteilung gewählt. Bei Einsätzen war Lion Leopold demnach verantwortlich für die Wasserversorgung. Bei der ersten Generalversammlung am 15. März 1924 war Lion Leopold jedoch nicht mehr als Mitglied der Feuerwehr Gangelt geführt. Über seine Austrittsgründe ist leider nichts bekannt.
Für die Familie Leopold wurde das Leben in Deutschland fast unmöglich. Der Umsatz ihres seit Generationen betriebenen Viehhandels sank dramatisch, so dass die Familie Leopold gezwungen war, Haus und Hof zu verkaufen. Das Wohnhaus mit Innenhof, Stall, Schlachthaus und Nutzgarten verkaufte Familie Leopold zum 01. Januar 1938 an ihren Nachbarn und Freund der Familie, Bäcker Dömges. Während Lion und Ida Leopolds Kinder bereits frühzeitig nach England (Frieda und Elsa) beziehungsweise in die Niederlande (Hugo und Erich) flüchteten, blieben Lion und Ida Leopold weiter in Gangelt wohnen. In der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 zerstörte gegen zwei Uhr nachts ein Trupp des Geilenkirchener Reichsarbeitsdienstes unter Leitung von Gangelter Nazis das Innere der Gangelter Synagoge sowie Wohn- und Geschäftshäuser der Gangelter Juden. Die im Jahre 1819 gebaute Synagoge wurde nur deshalb nicht in Brand gesteckt, da dies eine Gefahr für die direkt angrenzenden, landwirtschaftlichen Gebäude gewesen wäre. Alle männlichen Juden aus Gangelt wurden festgenommen und kurzzeitig in das Verlies im Heinsberger Tor eingesperrt.
Dank der Hilfe ihrer Kinder Hugo und Erich durften Lion und Ida Leopold im August 1939 legal in die Niederlande auswandern. Über den niederländischen Küstenort Hellevoetsluis gelangen Lion und Ida Leopold nach Tilburg, wo sie untertauchen können. Ebenso wie ihre Kinder überleben Lion und Ida Leopold den Holocaust und wandern nach dem Ende des Krieges in die Vereinigten Staaten von Amerika aus.
Neben den Stolpersteinen für die Familie Leopold wurden Stolpersteine an zwei weiteren Stellen der Sittarder Straße Stolpersteine für Therese, Elise und Karel Hertz und für Emil, Ernst und Paula Hartog verlegt. Zudem wurde in der Wallstraße mit Stolpersteinen an das Schicksal von Irma, Heinrich und Fritz Morgenstern gedacht. Im nächsten Jahr sollen dann die letzten 13 der insgesamt 42 Stolpersteine im Gangelter Ortskern verlegt werden.
Bilder zum Artikel
zurück